Traumhaftes Tessin

"Als der liebe Gott die Welt erschaffen hatte, ruhte er am siebten Tage. 
Da kam ein kleiner Engel, zupfte ihn und sagte verlegen "Da, lieber Gott, da, etwas nördlich der Halbinsel die wie ein großer Stiefel aussieht, da ist noch ein kleiner weißer Fleck - da hast Du vergessen etwas zu erschaffen."
Der liebe Gott, etwas mürrisch weil der Engel ihn in seiner Sonntagsruhe gestört hatte, schaute auf.
Ja, er hatte Recht der kleine Engel.
"Geh und schau was wir noch übrig haben im himmlischen Lagerhaus" brummte er, um diesen krummen Strich zu füllen.
Viel war es nicht mehr. Ein großer Sack grauer Steine, eine Tüte Kastanien, Haselnüsse, ein Eimer grüner Farbe und ein Fass Wasser.
Er schichtete die Steine, verteilte die Kastanien, füllte die grüne Farbe in das Wasserfass und goss den Inhalt in die entstandenen Steinrinnen.
Die Samen keimten und wurden zu Bäumen, das grüne Wasser sprudelte über die grauen Steine. Über allem strahlte die Sonne, segelten weiße Wolken am blauen Himmel.
Der liebe Gott lehnte sich zurück und freute sich über dieses trotz der mageren Zutaten gelungene Werk,
seine Sonntagsarbeit halt."  

Während der Wartezeit in einer Arztpraxis hatte ich diesen Text von Kathrin Rüegg gelesen und mein Ziel für den nächsten Trip stand fest. 

Das muss ich sehen - ich will ins Tessin.

Von wildromantisch, ursprünglich und grandioser Natur war in diesem Reisebericht die Rede und genau so habe ich es auch empfunden.

Die "Sonnenstube der Schweiz" hat mich mitsamt Ihren Bewohnern freundlich empfangen.

Eine Fahrt durch die Schweiz fühlt sich immer ein wenig so an als würde man sich auf einer überdimensionalen Eisenbahnplatte bewegen. Berge, Seen, schöne Landschaften - sie ist nicht langweilig, die Anreise in den kleinen Kanton Tessin.
Direkt hinter dem Gottard-Tummel ist Frühling und ich habe schon vergessen das ich vor 17 Kilometern noch durch leichtes Schneetreiben gefahren bin.
Einen ersten Stop lege ich in Bellinzona ein um mir die Hauptstadt des Kantons anzusehen. Eine mächtige Festungsanlage beherbergt die drei besterhaltendsten mittelalterlichen Burgen der Schweiz und bildet die Skyline der Stadt. Sehr italienisch ist es hier aber das ist ja auch kein Wunder wenn man bedenkt das es nur noch ein Katzensprung bis nach Italien ist. 
Von der ältesten Burg aus hat man einen wunderschönen Blick über die Altstadt und die Umgebung.
Imposante Patrizierhäuser, schöne Kirchen, nette Cafes neben modernen Boutiquen.. eine hübsche Altstadt mit viel historischem Charme.

Den Lago Maggiore lasse ich erst einmal links liegen denn ich möchte in´s Verzasca Tal, ein bisschen auf den Spuren der Autorin wandeln deren Text mich hierher geführt hat.

An der imposanten Staumauer, eine der höchsten in ganz Europa, die den Verzasca Fluss am Beginn des Tales staut,  mache ich noch eine kleine Pause. 

Schön ist das hier, das Wasser wirkt tatsächlich türkisgrün und ich freue mich auf mein Quarter für die nächsten Tage.

Ein "Rustico" wird es sein - so nennt man die typischen Tessiner Steinhäuser.

Urgemütlich ist es und mitten im Grün ausserhalb des Dorfes. Angebote gab es ausserhalb der Hochsaison in den Sommermonaten reichlich, die Preise sind angemessen ( ich wurde, wie so oft bei Airbnb fündig ). Urige Athmosphäre auf zwei Ebenen, ein bequemes Bett, Kamin und in der Küche wartet eine Flasche leckerer Roter - was braucht man mehr ?

Da die Preise für Lebensmittel in der Schweiz im Vergleich zu unseren recht hoch sind macht es Sinn sich ein bisschen Proviant mit zu nehmen.

Auch wer sonst kein großer Wanderfreund ist - hier muss man raus in die Natur. Verwunschene Wege führen durch Wälder und zwischen den Steinmauern auf den Feldern wird man von den Schafherden begrüßt. Die Menschen begegnen mir ausnahmslos freundlich und auch mein Hund ist überall Willkommen. Ich treffe während meiner Erkundungstouren Familien mit Kindern, Wandergruppen, Bikern und ambitionierten Radfahrern - ein landschaftlich tolles Ziel für Alle !

Beschaulich geht es hier zu.. in den Bergdörfern findet man kleine Lädchen, gemütliche Kneipen ( Grotti ) und ausserhalb der Saison viel Ruhe.

Wer auf Mobilfunkempfang viel Wert legt oder ein modernes Quartier für seine Tessinerkundung sucht ist am See gut aufgehoben. Nur ein kleiner Teil des Lago Maggiore liegt in der Schweiz, der Größere in Italien aber eigendlich bemerkt man es kaum das man das Land gewechselt hat.

Schön ist es hier auch am See, aber anders.. das Klima ist milder, das Ambiente touristischer.

Mich zieht es wieder in die umliegenden Täler.

Das Maggiatal ( das "magische Tal" ) beeindruckt mich mit traumhaften Ausblicken, imposanten Wasserfällen und sandigen Buchten am Fluß. Je weiter man sich vom See entfernt um so schmaler und abenteuerlicher werden die Straßen und ursprünglicher die Dörfer.

Es gibt so viel zu entdecken und - wie so oft - packe ich meinen Koffer mit dem Wissen das ich hierher noch einmal zurück kommen möchte.

Ganz am Ende meiner Tour sitze ich an der Brücke von Lavertezzo, bewundere die geschliffenen Steine und schaue nochmal in das unglaublich türkisgrüne Wasser.

Er hat recht gehabt der kleine Engel - das muss Gottes Sonntagsarbeit gewesen sein.

Ich habe für den Bericht unter anderem Fotos von Pixabay verwendet. Pixabay-Nutzer stellen Ihre Aufnahmen anderen Usern zur Illustration zur Verfügung - vielen Dank dafür !

Du magst spannende Landschaften ?

ganz anders aber auch besonders..

Das Ebro-Delta
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