Harnas - im Waisenhaus der wilden Tiere

Gepardin Pride
Von Namibias Hauptstadt Windhoek aus erreicht man Harnas in gut 3 Stunden Fahrzeit. Die Anfahrt ist durch die fast durchgängige Teerstraße auch mit einem normalen PKW machbar ( ausser vielleicht nach extremem Regen ) und ist gut beschildert.
Leopard

Die Geschichte von Harnas ist geprägt vom Schicksal der Familie van der Merwe, die seit mehreren Generationen nahe der Stadt Gobabis einen großen Farmbetrieb unterhielten. Marietta van der Merwe, Herz und Seele ( und Aushängeschild ) hinter dem Harnas-Betrieb adoptierte vor mehr als 40 Jahren die ersten gejagten, verfolgten und bei Farmern eigendlich eher unbeliebten Wildtiere.

Großkatzen, Hyänen, Affen und nicht zuletzt Löwen ruinieren einem Kleinbauern wenn es dumm läuft in einer einzigen Nacht eine Ernte, schlagen die Hälfte seiner Ziegen oder reissen seine Kühe. Lebendfallen sind teuer und so wird zumeist versucht die verhassten Jäger zu schießen. Oft landet so das verletzte Wild oder der bis dahin unbemerkte Nachwuchs auf Harnas. Oder wird erst dann in fachkundige Hände abgegeben, wenn aus dem putzigen, mutterlosen Pavianbaby ein ausgewachsener Affe geworden, oder die niedliche "Katze" als Haustier nicht mehr zu bändigen ist.

Für viele Wildtiere ist durch langsames, behutsames "Entwöhnen" an die menschliche Versorgung eine Auswilderung noch möglich - andere sind durch die fehlende Scheu vor Menschen dazu verurteilt für immer auf dem Farmgelände zu bleiben.


Pool aus Harnas

So erklärt uns das bunte Hochglanzblättchen die ruhmreiche Harnas Philosophie und so mag es zu Beginn der Farmgeschichte auch gewesen sein.

Heute ist Harnas ein strukturierter Tourismusbetrieb, der sich insbesondere auf die Unterbringung und Beschäftigung von "zahlenden Freiwilligen" konzentriert. 

Fanni war als Lodge-Gast vor Ort, anonym, um sich unvoreingenommen ein Bild zu machen..

Und siehe da.. der erste Eindruck ist durchweg positiv ! Der Empfang ist freundlich und professionell, die Unterkunft gemütlich und sauber. Der riesige Garten, um den das Restaurant, die Pflegestationen, Pool und einige Gehege angelegt sind, wird von zahlreichen Tieren bevölkert. Da laufen ein Lama und ein junger Kudu einträchtig nebeneinander her, Katzen und Enten sonnen sich auf angewärmten Steinplatten um einen kleinen Teich und ein fettes Warzenschwein namens Bacon bettelt um Aufmerksamkeit. 

Bereits beim Einchecken an der Rezeption werden uns die verschiedenen Touren auf dem Gelände angepriesen. Morgenfütterung, Abendfütterung, "Lion-Roar" zum Sundowner, Geparden-Spaziergang, Spurenlesen mit eigenem Guide.. das Angebot ist umfangreich - aber auch nicht preiswert. Wir entscheiden uns am nächsten Vormittag erst einmal an der Fütterungs-Tour teil zu nehmen. 

Vor dem Besuch des Restaurants starten wir zu einem kleinen Rundgang über das Gelände. Zu einem wirklich sehr kleinen Rundgang, denn Wanderwege oder auch nur die Möglichkeit auf einen kleinen Spaziergang unterbinden Schilder und Tore. Laufen ja, aber bitte nur mit (bezahltem) Guide. Schade :-(

Zumindest erkunden wir noch die extrem gut ausgestattete Campsite die an die festen Gästeunterkünfte angrenzt. Hier wurde tatsächlich an alles gedacht, schattige Plätze, eigene Duschen und Kochgelegenheiten, Grillplatz und ein geräumiges Haus mit den sanitären Anlagen - wirklich sehr schön. Das finden aber auch die zahlreichen Affen, die in kleinen Horden regelmäßig über die Camper herfallen um ihre Speisekarte aufzubessern.

Die Speisekarte im Harnas Restaurant ist recht umfangreich, der Service freundlich und erstaunlich schnell und das Essen guter Durchschnitt. Wer häufiger in Namibia unterwegs ist, hat vermutlich schon besser gegessen.

Am Morgen werden wir tatsächlich von Löwengebrüll geweckt - das macht Lust auf die Fütterungstour. 

Es geht pünktlich los und unser Guide macht einen guten Job. Wir besuchen die Krokodile, Meerkatzen, Baboons, Schakale, Geparden, Wildhunde, Leoparden und als Highlight dann natürlich auch die Löwen. Die Fütterung ist gut organisiert, informativ und ein Besuch des Kindergartens wird auch integriert. Hier stößt mir allerdings zum ersten mal auf, daß gebetsmühlenartig wiederholt wird, wie sehr der ganze Betrieb doch von Zuwendungen und Spenden der Besucher abhängig ist. Man stolpert quasi an jeder Ecke über Spendenboxen.. für die Angestellten, für die Tiere, für den Kindergarten.. die Auswahl ist groß.

Babykrokodile

Die Teilnehmer (darunter auch einige Tagesgäste) sind begeistert von der Fütterungstour und knipsen sich die Finger wund - bei mir entsteht eher ein leichtes "Zoo-Feeling" und die ersten Fragen schleichen sich in meinen Kopf.

Ein Gehege als "Altersheim" für Geparden leuchtet mir ja noch ein aber.. wo bitteschön "rettet" man denn etwa 30 Krokodile in allen Entwicklungsstadien und vor allem - wo wildert man diese wohl wieder aus ? Warum sperrt man denn hunderte von Affen in etliche, unterschiedlich große und auch unterschiedlich gut ausgestattete Areale ? Die sind ALLE irgendwo gerettet worden und haben ALLE ihre Scheu vor den Menschen verloren ? Dann sollte man vielleicht doch auch darum bemüht sein, das die Kollegen sich nicht so fröhlich weitervermehren, oder ?

Schützt man hier die Tiere oder nützt man sie eher..

Auch die Nachmittagsfütterung, die einen ausgiebigen Blick hinter die Kulissen verspricht, macht mich eher nachdenklich. Mein Interesse galt der Krankenstation, in der verletzte Tiere versorgt werden und der "Futterküche" - beides viel leider aus. Ein Besuch im Gehege der zahmen Gepardin "Pride", die tatsächlich von der Aufmerksamkeit der Gäste und sogar von Streicheleinheiten begeistert ist, entschädigt mich ein bisschen. Sonst gibt es noch die Fütterung der Baby-Krokodile, ein Schlangenhaus mit einigen Terrarien, den "Affen-Kindergarten" und Erdmännchen zu sehen. Die putzigen Erdmännchen sind immer wieder schön zu beobachten. Allerdings würde ich die Haltung in dem von einer Betonmauer umgebenen, ca. 12 qm kleinen Sandwüste nicht undbedingt als total artgerecht bezeichnen.. Grade mit diesen Gesellen hatte ich schon einige Begegnungen in einer sehr weitläufigen und top gepflegten Auffangstation, so das mir auch hier wieder nicht ganz klar ist, ob die kleinen Kerlchen denn wirklich "gerettet" wurden.

Sind die zahlreichen zahmen Tiere nicht vielleicht doch auch der Anreiz für die vielen Praktikanten die sich auf Harnas tummeln ? Gepardenkuscheln, Erdmännchenschmusen, Warzenschweinkraulen, tolle Selfies beim Affenspaziergang.. 

Für mich noch so ein Mysterium - der Affenspaziergang. Warum nimmt man regelmäßig die jungen Paviane aus ihren Gehegen und gibt sie Praktikanten mit auf einen "Spaziergang" ? 

Das dient der Wiederauswilderung ??? echt jetzt ?

Die Erdmännchen dürfen herumgetragen und auch mal mit ins Bett genommen werden, bei der Gepardin Pride darf man als Praktikant im Gehege schlafen - werden da nicht doch ein wenig die Tiere als Lockmittel für das teure "Praktikum" genutzt ?


Warzenschwein

Denn wer als Teenager aus Europa mit der "Fernsehvorstellung" der heilen Harnas Welt anreist, der wird wohl doch sehr enttäuscht sein. Die Unterbringung im Volunteer-Dorf ist eher spartanisch und vor allem im Winter nicht wirklich zu empfehlen. Ungeheizte 4-Betten Chalets, Waschräume ausserhalb, rationierte Verpflegung - klingt für mich nicht wahnsinnig attraktiv.

Als Lodge-Gast sieht man von den Praktikanten nicht viel. Der Zugang zu Restaurant, Poolbereich etc. ist für die Freiwilligen untersagt. So ist es auch recht schwierig, sich als Gast ein Bild vom Leben der Praktikanten zu machen, die für Ihre Arbeit die sie leisten auch noch recht kräftig zur Kasse gebeten werden. 

Arbeit für unqualifiziertes Personal.. 

Nimmt da nicht vielleicht auch jeder der zahlreichen "zahlenden Mitarbeiter auf Zeit" einem Einheimischen die Chance auf eine Arbeitsstelle ?

Zu diesem Thema werden in einigen Foren und Erfahrungsberichten noch ganz andere, härtere Töne angeschlagen. Von Mutproben der Praktikanten,  Unterdrückung von Neuankömmlingen,  chaotische bis keine Organisation des Tagesablaufes und mangelhafter Versorgung ( auch der Tiere ) ist da die Rede.

Auch auf anderen Wildfarmen oder Gästelodges ist man im Bezug auf Harnas sehr empfindlich denn es wird sich munter über die namibische Gesetzgebung im Bezug auf die Haltung von Wildtieren hinweggesetzt.

Mein Eindruck entspricht auch nicht dem einer namibischen "Arche Noah" und meine Augen bleiben trocken als wir nach 4 Tagen wieder abfahren - hier muss wohl tatsächlich jeder seine Prioritäten setzen was ihm am Herzen liegt. 

Näher kommt man selten an Wildtiere heran - aber muss man das denn ?


Du magst mehr über Namibia und das südliche Afika wissen ? dann fahr noch ein Stück mit..

..von Kapstadt nach Windhoek
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